Es war einmal ein Mann namens Pierre, der in einer kleinen Stadt lebte. Er war ein cleverer Kerl, aber oft unbesonnen und selbstgefällig. Eines Tages hörte er vom Gerücht, dass der Tod in Person nach seinem Leben suchte. Pierre meinte, er könnte diesen Feind überlisten, und beschloss, sich vor dem Tod zu verstecken.
Pierre verlies die Stadt, fuhr zu einem Flughafen und flog nach Ägypten, wo er sich dann hinter einem großen Stein neben einer Pyramide verbarg und wartete darauf, dass der Tod, ohne auf das Versteck zu achten, vorbei gehen würde. Stunden vergingen, aber der Tod kam nicht. Dann hörte er plötzlich Schritte. Es war ein Sensenmädchen namens Genevieve, gekleidet in ein schmissiges Sommerkleid und mit einer Sense in der Hand. Ihre Augen waren abgrundtief und strahlten eine kalte Leidenschaft aus, und sie sah Pierre direkt an.
"Was machst du hier?" fragte Genevieve.
"Ich… ich bin hier, um dich abzuwarten", antwortete Pierre zitternd.
Genevieve lachte leise. "Der Tod kommt nicht, Pierre. Du musst herauskommen und deinen eigenen Weg finden."
Mit diesen Worten verschwand Genevieve im Nebel. Pierre blieb noch eine Weile auf allen Vieren hinter dem Stein hocken, dann stand er auf und beschloss, weiterzumachen. Also fuhr er wieder zum Flughafen und flog zurück nach seine Heimat.
Als er durch die Straßen seiner Stadt ging, bemerkte er erstaunt eine Gestalt am Rand eines Gebüschs. Es war schon wieder Genevieve. Sie streckte ihre Hand aus und packte Pierre fest am Arm.
"Komm mit mir, Pierre", sagte sie ruhig.
Verzweifelt versuchte Pierre, sich loszureißen, aber Genevieve war viel stärker. Sie führte ihn durch die nächtlichen Straßen bis zu ihrem Häuschen.
Im Inneren der berüchtigten Behausung setzte sich Genevieve vor einem Feuer und bot Pierre eine Tasse Kakao an. Er nahm die Tasse und trank. Der Kakao schmeckte hervorragend.
"Danke", murmelte er.
"Es tut mir leid, dass ich dir keine andere Wahl gelassen habe", erwiderte Genevieve. "Aber jeder muss seinen eigenen Pfad befolgen, Pierre."
Sie reichte ihm erneut die Tasse, und Pierre trank den Rest des Kakaos. Dann legte er sich hin und schlief ein.
Als er aufwachte, fand er sich alleine in einem Hain wieder. Er war zwar nicht tot, aber irgendwie anders als sonst. Er konnte nicht mehr essen, nicht mehr lieben, sogar nicht mehr "Tor!" ausrufen. Für Pierre war dies die Hölle.
Von nun an musste er in diesem Zustand existieren, unfähig, etwas anderes als die ewig dauernde Zeit zu empfinden. Jedes Mal, wenn er dabei war, zu sterben, kehrte er in diesen Zustand zurück. So verbrachte er den Rest der Ewigkeit in einer zeitlosen Schleife von Lebendigsein, und es dauerte bis die Schöpfungswelt, in der er lebte, ins Staub zerfiel, woraufhin all die restlichen Sterblichen über andere Welten verteilt wurden.
Ein Angestellter des Todesamtes wurde schließlich auf Pierre aufmerksam, und teilte ihm mit, dass ihm den Tod zu unrecht verwehrt worden sei, und was Genevieve angestellt hatte, täte sie aus eigener Initiative. Dennoch seien die Disziplinarmaßnahmen sowie die Schadensersatzansprüche in einem solchen Fall nicht vorgesehen.